Patrik Berend: OIiver Rotdorn, Bonn 2021.

334 Seiten.

ISBN 978-3-945177-84-6

Lieferbar u.a. über den 

Free Pen Verlag oder über Amazon

Inhalt

Der Roman "Oliver Rotdorn" erzählt die tragische Geschichte von der gescheiterten Rache des sensiblen und rastlosen Titelhelden am eigenen Vater. 

"Noch länger hätte Oliver in dem Provinznest nicht bleiben können. Alles, was geschehen war, wollte er hinter sich lassen. Erst wenn man ihn vergessen hatte, wollte er noch ein einziges und letztes Mal zurückkommen, um Rache für das Unrecht zu üben, durch das sein Leben aus den Fugen geraten war…"

 

Leseprobe

Prolog (S.7)

Im September des Jahres 2019 fuhr ich im ICE von Köln nach München. Beim Betreten des Zuges bemerkte ich einen Mann in meinem Alter, der als Rucksacktourist unterwegs war. Wir starrten uns einen Moment lang überrascht an, da wir uns außergewöhnlich ähnlich sahen. Wir hatten nicht nur die gleiche Statur, die gleiche Kopfform und die gleiche Haarfarbe – unser gesamtes Erscheinungsbild entsprach sich auf erschreckende Art und Weise. Der Fremde hätte mein Zwillingsbruder sein können.

Die Idee, einen Roman über ihn zu schreiben, flog mich an wie eine Grippe. Schon während der Fahrt machte ich mir erste Notizen, und nach meiner Ankunft in München wusste ich, dass ich das Vorhaben zu Ende bringen würde. Die Geschichte des Reisenden steckte tief in mir drin, obwohl mein eigenes Leben ganz anders verlaufen ist. Bis auf diese eine – aus der Sicht eines außenstehenden Betrachters vielleicht unbedeutende – Begegnung entsprang der Bericht über Oliver Rotdorns Schicksal ausschließlich meiner Phantasie.

Alle Informationen über in der Öffentlichkeit stehende Personen, historisch belegte Ereignisse und wirklich existierende Orte sind nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert worden. Die anderen Charaktere, die beschriebenen Handlungsstränge und die ausgewählten Schauplätze sind jedoch frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und vom Verfasser nicht beabsichtigt.

 

Die Abreise (S. 8)

Oliver Rotdorn füllte zwei Stofftaschen bis zum Rand: eine schwarze mit seinen Lieblingsbüchern und eine weiße mit anderen lebensnotwendigen Dingen. Mehr konnte er nicht mitnehmen. Die wenigen Möbel, die in seinem Apartment standen, zerlegte er sorgfältig in ihre Einzelteile und brachte sie in den Keller. Dort würden sie niemanden stören. Ein paar wertvolle Elektrogeräte stellte er auf die Treppe vor dem Haus, sie waren schon nach einer halben Stunde verschwunden. Der Rest passte in den grauen Müllcontainer im Hof. Darunter befanden sich etwa siebzig CDs, die er nicht einfach einem Fremden schenken wollte, ein abgenutzter Kopfhörer und eine vertrocknete Birkenfeige. Nach getaner Arbeit sank er auf den Boden der leeren Wohnung, in der auch leiseste Geräusche von den kahlen Wänden ungewohnt deutlich widerhallten. Schon nach kurzer Zeit fiel er in einen unruhigen Schlaf.

Morgens um acht erwachte er mit schmerzendem Rücken und stellte sich vor das Fenster. Eine blassgelbe, fast schon farblose Motte versuchte verzweifelt, nach draußen zu gelangen. Ohne ihre empfindlichen Flügel zu berühren, entließ er sie in die Freiheit. Sie bewegte sich in gerader Linie auf die Straße zu, bis ein vorbeifahrender Lastwagen die Luft verwirbelte. Danach war sie nicht mehr zu sehen. Vor dem gegenüber liegenden Bahnhof versammelte sich gerade eine Schulklasse, die offenbar eine längere Reise antrat. Die Kinder trugen schwere Koffer oder Rucksäcke und wurden von ihren Eltern verabschiedet. Der Parkplatz war bereits komplett besetzt, und mehrere Autos drehten erfolglos ihre Runden. Einige Pendler ketteten ihre Fahrräder unter der dafür vorgesehenen Überdachung an und gingen zu den Gleisen. Am Taxistand warteten drei leere Taxis auf neue Kunden, und an der Bushaltestelle stoppte ein überfüllter Bus, aus dem die Menschen in ihrer tagtäglichen Gewohnheit ohne erkennbare Eile ausstiegen. Oliver beschloss, noch etwas zu warten. Erst um kurz vor neun nahm er die beiden Stofftaschen und verließ die Wohnung. Den Schlüssel warf er in den Briefkasten im Hausflur, so hatte er es mit der Vermieterin abgesprochen. Schlagartig wurde ihm klar, dass es nun kein Zurück mehr gab. 

Vor dem Haus bemerkte er, dass es deutlich kälter geworden war. Er überquerte die Straße, löste eine Fahrkarte nach Köln und wartete am Bahnsteig. Zwischen den Schienen glänzten braune, grüne und weiße Scherben und wurden für eine Sekunde zum Abbild seiner inneren Welt, die aus einem Gefühl stetiger Unordnung bestand, obwohl er sich nach Ruhe und geregelten Abläufen sehnte. Als die Bahn einfuhr, bemerkte er einen seltsamen Geruch, der wahrscheinlich durch die Reibung der Bremsen verursacht wurde. Er stieg in den hinteren Teil des Zuges ein und begann damit eine Reise, deren Verlauf und Ende niemand voraussehen konnte.

 

Bowie, 1990 (S. 136-138)

Am 11.4.1990 fuhr Oliver noch einmal mit Thomas und Bettina nach Stuttgart. Dort besuchten sie ein David Bowie-Konzert, für das Thomas die Karten besorgt hatte. Oliver wusste nicht genau, was ihn erwartete, da sich Bowie ständig neu erfand. Er war das »Chamäleon der Popmusik«. Seine Karriere war durch viele Neustarts gekennzeichnet: In den Sechzigerjahren trat er noch erfolglos als Davie Jones auf, bevor er sich in David Bowie umbenannte. Erst mit dem Album »The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars« wurde er zum Rockstar, benannte sich danach in »The Thin White Duke« um und avancierte nach weiteren unerwarteten Verwandlungen mit der LP »Let’s Dance« zum kommerziell erfolgreichen Weltstar. Die aktuelle Tour trug den Titel »Sound and Vision« und war als Retrospektive konzipiert. Die ganze Bandbreite seines Schaffens sollte in einem einzigen Konzert präsentiert werden: Es ging um die Hits, mit denen alle Bowie-Jünger aufgewachsen waren.

Das Konzert war restlos ausverkauft. Während Thomas und Bettina versuchten, einen Platz direkt vor der Bühne einzunehmen, blieb Oliver weit hinten, da er sich nicht ins Gedränge stellen wollte. Bowie wirkte aus der Entfernung von der Statur klein und gleichzeitig von der Überzeugungskraft übermenschlich groß, als er mit seiner Gitarre auf die Bühne kam und – in einem unwirklichen Licht, das die Erscheinung eines neuen Messias anzukündigen schien – die ersten Akkorde des Songs »Space Oddity« spielte. Das zur Zeit der ersten Mondlandung erstmals veröffentlichte Lied erzählte die Geschichte eines Astronauten, der in den Weltraum startet und beschließt, nicht mehr zurückzukehren, auch wenn die Erwartungen an ihn ganz andere gewesen waren.

Da Oliver etwas Vergleichbares noch nie erlebt hatte, empfand er den Abend als überwältigend. Die ganze Show war ein glamouröses Kunstwerk: In der Tat waren der Klang und die visuellen Eindrücke phänomenal. Er kannte jedes Lied, jede Strophe und jeden Ton, und er dachte manchmal, Bowie würde nur für ihn ganz alleine spielen. Er glaubte, jede Melodie wäre nur für ihn komponiert, jede Textzeile wäre nur für ihn geschrieben und hätte eine Bedeutung, die er auf sich selbst beziehen musste, bis er sie vollständig erfasst hatte. Unter diesem Einfluss kam ihm die Welt erträglicher vor: Er fühlte sich wie beseelt – auf der einen Seite bestätigt, verstärkt und verstanden und auf der anderen Seite wie wachgerüttelt, beflügelt und in jeder Zelle seines Körpers neu erfunden. Viel zu schnell war das Konzert mit dem Song »The Jean Genie« zu Ende.

Stimmen zum Buch

"Ein einfühlsames Buch über einen Vater-Sohn-Konflikt und die Suche nach dem Sinn des Lebens." (Ulrich Bergmann)

"Detailgenau recherchiert und fesselnd geschrieben." (Rainer Maria Gassen)

"Oliver Rotdorns Schicksal lässt einen nicht los - von der ersten Seite des Romans bis zur letzten und darüber hinaus." (Esther Lenssen)

"Wer die Musik und die Texte von David Bowie mag, wird auch Oliver Rotdorn verstehen." (Carsten Nowak)

"Im Roman 'Oliver Rotdorn' taucht der Leser Schritt für Schritt in die Lebens- und Gedankenwelt des Protagonisten ein, der auch aus einem Roman von Albert Camus stammen könnte. Die Handlung beschleunigt sich langsam und unaufhaltsam und gipfelt in einem furiosen Finale, in dem der Leser den Kontrast zwischen dem 'was ist' und dem 'was wir fühlen' eindrücklich erfährt. Respekt für die Leistung des Autors und den Mut, einen Roman abseits des Mainstream zu wagen." (Thomas Esser)

"Die Generation Golf entlässt ihre Kinder. Das wohl viel zu spät, und Patrik Berend beschreibt schonungslos, wohin das führen kann." (Wieland Wache)

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.